Der Ödipusmythos nach der Tragödie 'König Ödipus' von Sophokles (429 v. Chr.):
Abb. 1 :
Personenkonstellation im Vergleich „König Ödipus“ – „Homo Faber“
Parallelen
In„Homo Faber“ wird die Tragödie des Ödipus kurz erwähnt. Hanna
ist begeistert von Mythen und redet auch davon „Ödipus und die Sphinx, auf
einer kaputten Vase dargestellt in kindlicher Weise“ (S. 154 Z. 3f.) ist Es
wird zwar nicht weiter auf den Mythos eingegangen, jedoch lässt sich aus diesem
kurzen Hinweis erkennen, dass Faber der Inzest beschäftigt und dass der Inzest
ein Leben kaputt macht („[...] auf einer kaputten Vase [...]“)
Eine weitere Gemeinsamkeit der Lektüren ist die Vorgeschichte der beiden
Hauptcharaktere. Faber denkt, Hanna hätte das Kind abgetrieben. Demnach kann er
gar nicht wissen, dass er eine Tochter hat, als er auf dem Schiff Sabeth kennen
lernt. Ödipus wurde nie gesagt, dass Polybos und Periboia nicht seine
leiblichen Eltern sind.
Zum Ende hin lässt sich noch eine offensichtliche Parallele erkennen.
Nachdem Ödipus erkennt, dass er Inzest begangen und seinen Vater getötet hat,
sticht er sich die Augen aus. Faber denkt im Zug nach Zürich ebenfalls darüber
nach sich die Augen mit zwei Gabeln auszustechen (S. 209 Z. 6ff.). Das zeigt,
dass Faber sich seine Schuld nun eingesteht, wie Ödipus es ebenfalls getan
hatte. Beide bestrafen sich bzw. Faber will sich bestrafen (tut es aber nicht)
dafür, dass sie ihr Leben lang so blind gewesen sind und nicht erkannt haben,
dass sie sich in ihre Mutter/Tochter verliebt haben. Sowohl Ödipus, als auch
Faber tun vor dem Inzest etwas Gutes für die Menschen. Ödipus rettete die Stadt
Theben, indem er das Rätsel der Sphinx gelöst hatte und Faber hilft
unterentwickelten Völkern mit Technik (S. 10 Z. 34). Im weiteren Verlauf ihrer
Geschichte jedoch sind beide für einen Tod verantwortlich. Ödipus jedoch nur
indirekt. Iokaste erhängt sich selbst, als sie erkennt, dass Ödipus ihr eigener
Sohn ist. Sabeth hingegen stirbt an der Verletzung durch den Sturz. Sie stürzte
jedoch nur die Böschung runter, weil sie vor Faber zurückschreckte, als er ihr
zu Hilfe kommen wollte. Außerdem verschweigt Faber den Sturz Sabeth im
Krankenhaus, sodass der Arzt die daraus entstandene Verletzung gar nicht
behandeln kann. (S. 174 Z. 5f.)
Unterschiede
Der Unterschied zwischen den beiden Geschichten ist die Form des Inzests.
Während bei „König Ödipus“ ein Mutter-Sohn-Inzest vorliegt, ist es bei „Homo
Faber“ ein Vater-Tochter-Inzest - demnach das genaue Gegenteil. Außerdem hat
Faber keinen Rivalen, den er versucht zu töten. Zwar ist er eifersüchtig auf
den Pingpong-Spieler und den Baptisten auf dem Schiff (S. 83 Z. 18ff. „Dabei
hat er gar nichts zu sagen, der Baptist, es geht ihm […] bloß darum, das
Mädchen anfassen zu können, […] dazu sein Lächeln über mich.“), aber er sieht
sie nicht als Rivalen an. Ödipus weiß nicht, dass Laios sein Rivale ist (also
der Mann seiner Geliebten) als er ihn erschlägt. Ödipus bekennt sich sofort
seiner Schuld und sticht sich die Augen aus. Faber hingegen versucht sein Leben
irgendwie weiter zu leben (S. 187ff.). „Homo Faber“ ist ein Bericht aus der
Sicht von Faber. Mit diesem Bericht versucht er sich für den Inzest und
letztendlich auch für den Tod Sabeths zu rechtfertigen (S. 134 Z. 1ff „Was ist
denn meine Schuld? Ich habe sie auf dem Schiff getroffen […], ein Mädchen mit
baumelnden Roßschwanz vor mir.“). Das merkt man vor allem daran, dass er oft
schreibt, dass er es nicht hätte ahnen können, dass Sabeth seine Tochter ist
und hätte er es früher gewusst, wäre alles ganz anders geworden (S. 78 Z.
13ff.„[...] Wieso Fügung! Es hätte auch ganz anders kommen können“) Demnach ist
Faber im Gegensatz zu Ödipus nicht in der Lage sich seine Schuld einzugestehen
bzw. versucht er sich diese auszureden.
Ödipus
Blendung und Fabers kurzzeitiger Gedanke sich zu blenden haben etwas
unterschiedliche Funktionen und Gründe. Ödipus blendet sich als Strafe dafür,
dass er Inzest begangen hat. Außerdem schämt er sich vor seinen Kindern. Faber
hingegen denkt nicht nur wegen dem Inzest an sich an die Blendung, sondern
auch, weil er sich selbst nicht mehr sieht und erkennt. Bevor er Sabeth kennen
gelernt hat, war er ein verlässlicher Arbeitnehmer. Danach hat er sich Urlaub
genommen und das Leben genossen wie es war. Anders als Ödipus sehnt Faber sich
nach Sabeths Tod immer noch nach ihr (S. 209 Z. 1ff„Ich habe nichts mehr zu
sehen. Ihre zwei Hände, die es nirgends mehr gibt, ihre Bewegung, wenn sie das
Haar in den Nacken wirft oder sich kämmt, ihre Zähne, ihre Lippen, ihre Augen, die es nirgends mehr gibt, ihre Stirn: wo
soll ich sie suchen?“).Das weist darauf hin, dass Faber sich mit dem Gedanken
nicht abfinden kann, dass Sabeth seine Tochter ist. Zwar möchte er Hanna
heiraten, um eine richtige Familie zu werden, die Gefühle zu Sabeth als seine
Geliebte kann er dennoch nicht ganz unterdrücken.
König
Ödipus“ und „Homo Faber“ ähneln sich in manchen Aspekten des Inzests. Jedoch
sind grundlegende Unterschiede vorhanden, die deutlich machen, dass in „Homo
Faber“ Gefühle und das Leben der Menschen mehr im Mittelpunkt stehen, als
bei„König Ödipus“. Iokaste und Ödipus sehen keinen Sinn mehr in ihrem Leben,
aber Faber und Hanna versuchen so gut es geht weiter zu leben, auch wenn Faber
am Ende höchstwahrscheinlich stirbt.
Quellen
Primärliteratur:Homo Faber. Ein Bericht. Max
Frisch. Suhrkamp Verlag, 1999,
Internetquellen:
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